SchMUSEn

(Diese kleine Episode ist eine Drei-Wort-Geschichte. Die Wörter, die einzuarbeiten waren, lauten: Telefonzelle / Domteuer / Lexikon)

 

„Ich bin eine verdammte Göttin!“ Die bernsteinfarbenen Augen der Muse funkelten den Therapeuten an, bevor sie sich mit Tränen füllten. „Man sollte mich auf Händen tragen, mich umschmeicheln. Ich bin eine Berühmtheit.“ Trotzig zupfte sie ein Taschentuch aus der Box, die der Therapeut ihr hinhielt. „Ich stehe sogar im Lexikon.“

Geräuschvoll schnäuzte die zierliche Schönheit sich die ebenmäßige Nase. „Stattdessen immer nur Leistungsdruck. Egal, wie ich mich fühle, ich soll gefälligst abliefern. Haben Sie schon mal versucht, jemanden zu küssen, der Sie permanent beschimpft und Ihnen das Gefühl gibt, nicht wertgeschätzt zu werden?“

Der Therapeut schluckte hart und rutschte unruhig auf seinem Lederstuhl hin und her. Nur mit Mühe gelang es ihm, den Blick von ihrem sinnlichen Mund zu lösen. „Ähm...“ 

„Das ist ein absoluter Stimmungskiller, ehrlich! Das ist wie bei einem Dompteur mit seiner Peitsche: Los, inspirier’ mich Muse, sonst knallt’s.

Verzweifelt versuchte der Therapeut, die Wörter Peitsche und Stimmungskiller in den von ihr beabsichtigten Zusammenhang zu bringen, anstatt sie sich bildlich dabei vorzustellen, wie sie...

„Es hat einen guten Grund, dass in Schmusen das Wort Muse versteckt ist“, schluchzte die Göttin. „Liebevolle Zuwendung, nicht Fußtritte... Ich bin doch keine Trampel-Muse.“

„Ähm, meinen Sie... Pampelmuse?“ Ein eisiger Blick ließ den Therapeuten verstummen.

„Pampelapapp“, schnappte die Schönheit beleidigt und zwirbelte eine Strähne ihres goldenen Haars um die schlanken Finger. Dann seufzte sie inbrünstig. „Ich glaube, ich habe einen Work-Out.“

Der Therapeut räusperte sich und fragte mit krächzender Stimme: „Sie meinen sicher... Burn-Out?“

„Ja, richtig, mein Licht ist verloschen“, jammerte die Göttin. „Einfach ausgebrannt. Und jetzt stecken Sie mich sicher in eine dieser... dieser... Telefonzellen.“ Sie schluchzte herzergreifend und vergrub das makellose Gesicht in den Händen.

„Telefon...? Ach so – ähm... Sie meinen Gummizellen...?!“ 

Die Muse verdrehte die Augen. „Sehen Sie? Ich kann gar nicht inspirieren, selbst wenn ich wollte. Ich bin nutzlos. So viel wie ich heule, könnte ich jeder Sirene Konkurrenz machen.“ Sie zupfte sich ein neues Taschentuch aus der Box. „Gibt es beim Arbeitsamt auch Umschulungen für Göttinnen?“

Der Therapeut schielte verstohlen auf die Uhr und atmete auf. „Mit dieser Frage beschäftigen wir uns dann nächste Woche. Für heute ist unsere Zeit leider um.“